Vom historischen Heilmittel zum modernen Gesundheitsbewusstsein
Vor 150 Jahren gab es noch keine Krankenkassen. Ärzte und alle Medikamente mussten vollständig privat bezahlt werden. Es gab auch wenig Apotheken. Die Arzneimittel waren rein pflanzlich. Die Hauptheilmittel zu Zeiten Hufelands um 1800 waren: Abführen (z.B. mit Karlsbader Salz), Opium (gegen Durchfälle), das Brechverfahren (zur Anregung des Sonnengeflechtes im Bauch) und der Aderlass (zur Blutverdünnung und Blutreinigung). Die Wassertherapie wurde erst später erfunden (Kneipp als Hauptbegründer der Wassertherapie wurde 1821 geboren). Aber Schwitzen, Umschläge usw. waren natürlich schon Jahrhunderte vorher in Gebrauch.
Heute spielen alle diese Verfahren ein „Stiefmütterchen-Dasein“, während die moderne westliche Therapie mit Medikamenten einen Siegeszug um die Ganze Welt angetreten hat und überall hoch angesehen ist. Selbst die Chinesen, die Japaner, die Inder, die Schwarzafrikaner mit ihrer oft sehr wirksamen traditionellen Medizin benutzen heutzutage in großem Maße westliche Medikamente.
Es gibt also ein altes Medizinbewusstsein sowie ein neues, das um 1850 mit der Entdeckung der Lachgasnarkose angefangen und ab 1945 alle alten Methoden weitgehend verdrängt hat. Auch wenn in vielen Zeitschriften über die Akupunktur, die Homöopathie, Ayurveda und andere Therapien ständig geschrieben wird. Sie spielen im heutigen Medizinbetrieb nur eine wenig beachtete Neben-rolle. Die Menschen sehnen sich oft nach Einfachheit. Aber sie wollen sie nicht praktizieren. Wer möchte noch auf die Waschmaschine verzichten, die Zentralheizung, die warme Dusche, die wetterfeste Kunstfaserkleidung, Fernsehen, Internet und moderne Kommunikation? Fast niemand. Genauso verhalten sich die Menschen im Gesundheitsbereich. Alte Methoden sind romantisch, vielleicht sogar schick, aber äußerst mühsam und unpraktisch. In Frauenzeitungen kann man sehr gut darüber schreiben. In der wissenschaftlichen Medizin werden sie belächelt und sehr selten mit einer Nebenveröffentlichung toleriert. In eine wichtige medizinische Zeitschrift schaffen sie es fast nie.
Die Leser von Reformhauszeitungen sind eine besondere Gruppe. Sie machen vielleicht 2% der deutschen Gesamtbevölkerung aus. Aber sie verhalten sich anders als die anderen 98%. Sie kaufen viel im Reformhaus. Sie kaufen und essen Biokost. In der Kleidung tragen sie nicht allen modischen Schnick-Schnack, sondern sind darin eher konservativ wie ihre Eltern und Großeltern. Sie legen Wert auf vernünftige Lebensweise. Und das Wichtigste: Sie sind deutlich gesünder als der Durchschnitt, brauchen weniger Krankenhausaufenthalte und Operationen und deutlich weniger schulmedizinische Medikamente als der berühmte „Otto Normalverbraucher“.
Eigentlich wären sie die idealen Gesprächspartner für die diversen Gesundheitsminister. Aber sie werden von allen Parteien ignoriert und ausgenutzt. Denn alle, besonders auch die in Reformzeitungen beschriebenen naturheilkundlichen Verfahren, die wesentlich zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen beitragen könnten, werden von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Und auch der neue Gesundheitsminister wird vermutlich daran nichts ändern wollen und können. Es spricht also alles gegen eine Renaissance dieser alten traditionellen Methoden.
Aber die Zeiten ändern sich. Manche Menschen werden wieder aufmerksamer. Die Gesundheitswelle als treibende Wirtschaftskraft wird überall gepriesen. Wir machen jetzt„ Wellness“ und „Fitness“, die Hotels haben ein „Spa“ und einen großen „Recreation“- Bereich. Die Prävention wird dauernd beschworen. „Fit und Fun“ stehen auf dem Spitzenplatz der Aktivitäten und „Fitness-Center“ gibt es inzwischen überall.
Die Menschen merken, dass sie etwas tun müssen, wenn sie gesund und leistungsfähig bleiben wollen. Die Politiker reden zwar viel von der Prävention. Sie tun nur fast nichts dafür. Die Krankenkassen sind nur für die Kranken da. Und die Ärzte verdienen fast nur an der Krankheit und sehr wenig an der Gesundheit. Es besteht also ein großes Dilemma zwischen den derzeitigen Wünschen an Gesundheitsvorsorge und der Realität.