In beiden Lagern, dem naturheilkundlichen und dem schulmedizinischen, ist es unumstritten, dass es beim Menschen einen Säure-Basen-Haushalt gibt. Wir lernen schon in der Schule von Elektrolyten in unserem Körper, d.h. Metallen wie Eisen, Kalzium, Kalium, Natrium, Zink, Magnesium und anderen sowie deren Bedeutung für einen funktionierenden Stoffwechsel. Diese Metalle sind Basen, die mit Säuren wie Kohlensäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Salpetersäure, Essigsäure, Chlorsäure u.a. mehr oder weniger stabile Bindungen eingehen können. Alle diese Stoffe sind im Körper vorhanden und müssen im Gleichgewicht sein, damit die Gesundheit erhalten werden kann. Das bedeutet, dass sowohl die Mengen stimmen müssen als auch die Bindung der jeweiligen Säuren oder Basen an die entsprechenden Gegenpole.
Es gibt also keinen Streit über die Frage der Existenz und der Wichtigkeit des Säure-Basen-Haushalts. Der Streit entzündet sich aber an der Frage, ob dieser Haushalt häufig gestört ist, wie es in der Naturheilkunde behauptet wird. Denn in der Notfallmedizin, besonders auf den Intensivstationen, wird das Säure-Basen-Verhältnis genau überwacht und bei Abweichungen auch schnell eingegriffen. Wir Ärzte für Naturheilkunde behaupten aber, dass bei den meisten unserer chronisch Kranken eine Störung vorhanden sei, die möglichst rasch erkannt und dann auch behandelt werden solle. Dies ist der im Wesentlichen strittige Punkt.
In der Naturheilkunde wird zum Beispiel behauptet, dass eine Übersäuerung bei folgenden Krankheiten vorliegt: Osteoporose, generalisierte Schmerzen, Haarausfall (außer bei genetisch bedingtem), grauer Star, den meisten Hautkrankheiten, Arthrosen, Diabetes und vielen anderen mehr. Man könne davon ausgehen, dass die überwiegende Zahl der heutigen chronischen Krankheiten mit einem gestörten Säure-Basen-Haushalt zusammenhängt. Dies wird allerdings von der Schulmedizin heftig bestritten. Andererseits weiß man, dass Muskelkrämpfe und Sodbrennen im Kindesalter nicht auftreten, denn diese sind ausgesprochene Übersäuerungsstörungen. Die Schulmedizin hat für Sodbrennen sogar einen eigenen Krankheitsbegriff geschaffen die sog. Reflux Krankheit. Wir naturheilkundlichen Ärzte wundern uns über diese einfältige Sicht des Krankheitsbildes, denn Sodbrennen tritt nur dann auf, wenn das Säure-Basen-Gleichgewicht nicht mehr stimmt.
Wie kommt es nun zu den so unterschiedlichen Ansichten und dem Streit über den richtigen Standpunkt? Die Schulmediziner legen hauptsächlich Wert auf die Untersuchung des pH-Wertes im Blut. Dieser liegt weitgehend konstant bei ca. 7,36 und zeigt an, dass das Blut sich im leicht basischen Zustand befindet. Der Wert bleibt auch nach sportlichen Belastungen und bei fast allen chronischen Erkrankungen konstant. Nur bei ganz schweren Krankheitszuständen im Endstadium (z.B. Nierenversagen, Krebs) verändert sich der Wert nach der sauren bzw. alkalischen Seite. Der Körper in seiner großartigen Intelligenz hält nämlich den Blut-pH Wert immer auf dem gleichen Niveau, weil nur dann alle wichtigen Stoffwechselvorgänge planmäßig ineinander greifen und richtig ablaufen können. Dabei muss auch klar gestellt werden, dass es eine ÜberAlkalisierung (als Gegenpol zur Übersäuerung) nur selten gibt, nämlich fast nur im Endstadium der Krebserkrankung. Alle anderen Störungen sind Säureüberlastungen.
In der Naturheilkunde gibt es hauptsächlich zwei Möglichkeiten der Messung des Säure-Basen-Haushalts: die Messung der sog. Basenpufferreserve im Blut (gelegentlich auch im Urin) und die Langzeitmessung über mehrere Tage im Urin. Bei der Messung der Basenpuffer-Reserve untersucht man mittels einer Titration, wie viel Säure das Blut aufnehmen kann. Die Messung ist relativ einfach und könnte in jeder Praxis durchgeführt werden. Das Blut muss allerdings innerhalb einer Stunde nach der Abnahme untersucht werden. Man kann es also normalerweise nicht in ein Labor schicken. Leider hat sich diese Methode bisher nicht durchgesetzt, obwohl nach einer kurzen Einarbeitungszeit jede Sprechstundenhilfe den Test durchführen könnte. Auch ein Urin-Tagesprofil mit ca. fünf bis sechs verschiedenen Portionen kann auf diese Weise untersucht werden Allerdings ist das mit wesentlich mehr Arbeit (und Kosten) verbunden als die Blutuntersuchung. Der Vorteil dieser Untersuchung liegt darin, dass man nicht sofort untersuchen muss und sogar die verschiedenen Urinportionen an ein Labor schicken kann.
Die zweite Testmethode, die auch am häufigsten benutzt wird, ist die Eigenmessung zu Hause mit Hilfe von Urinteststreifen, dem sog. Lackmuspapier. Anhand der verschiedenen Farben auf dem Papierstreifen lässt sich leicht der Säurewert des Urins ablesen. Wenn man diesen Test mehrmals täglich, am besten ca. alle zwei Stunden, durchführt, dann gewinnt man eine Tageskurve. Üblicherweise sollte in dieser Kurve zweimal der pH-Wert über 7, also im basischen Bereich liegen, meistens ca. zwei Stunden nach den Hauptmahlzeiten, also z.B. nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen. Denn zu dieser Zeit schüttet die Bauchspeicheldrüse ihren sehr basischen Speichel aus, der den sauren Magenbrei neutralisieren soll. Im Dünndarm muss nämlich das Verdauungsmilieu alkalisch sein, damit alle Nahrungsbestandteile möglichst optimal aufgespalten und so von der Darmschleimhaut aufgenommen werden können.
Die beiden „Basengipfel“ müssen auftreten, wenn der gesamte Säure-Basen-Stoffwechsel in Ordnung ist.
Treten sie nicht auf, liegt meist eine Übersäuerung vor. Diese sollte dann auch richtig behandelt werden, wobei m.E. das Vermeiden von Gärung im Dünndarm die Hauptrolle spielt. Das ist aber ein Ernährungsproblem, das hier in diesem Rahmen nicht ausreichend besprochen werden kann.
Gelegentlich ist der Urin bei dieser Methode ständig basisch, obwohl sich der Patient meistens ziemlich elend fühlt. Das liegt dann daran, dass die Nieren die basischen Stoffe aus dem Urin, die Mineralien, nicht mehr herausziehen können. Wie oben geschrieben, ist das Blut leicht basisch. Der Urin ist ein Blutfiltrat, also anfangs auch leicht basisch. Die Niere entzieht nun dem Ersturin die wertvollen Basen, wodurch dieser Urin sauer wird. Je saurer der Urin, desto besser die Nierenleistung; desto notwendiger ist aber auch die Säureausscheidung, weil sonst der Körper übersäuert und die oben genannten Krankheiten auftreten können. Bei einem ausreichenden Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen treten die beiden Basengipfel auf und zeigen an, dass das ganze Ausscheidungssystem einigermaßen funktioniert.
Wie können wir nun selbst den Säure-Basen-Spiegel beeinflussen?
- Durch eine Ernährung, bei der alle zugeführten Nahrungsstoffe vollständig von der Darmschleimhaut aufgenommen werden, also keine Gärung oder Fäulnis im Darm entsteht.
- Durch eine umfassende Bewegung, bei der möglichst viele Muskelgruppen aktiviert werden, so dass über den „sauren“ Schweiß möglichst viele Säuren ausgeschieden werden.
- Durch Basenbäder und weitere Säure-Ausleitungs-Therapien, wie sie in dem Buch von Jentschura und Loskämper beschrieben werden. (s. Literaturangabe).
- Durch eine heitere, gelassene Grundhaltung, damit wir nicht „sauer“ reagieren.
Es liegt nun an uns, unseren Stoffwechsel über ausgeglichene Ernährung, ausreichende Bewegung, seelische Ausgeglichenheit und eventuelle zusätzliche Maßnahmen zu optimieren. Dadurch können wir sehr vielen chronischen Krankheiten vorbeugen und uns im Allgemeinen eine gute Gesundheit erhalten.
Download des vollständigen Fachartikels
Download